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Creative Science

#1

Tote Seele

in Literatur 22.02.2011 23:15
von Einsiedler

Diskussionsleiter

| 231 Beiträge


Tote Seele

Nicht die Ewigkeit ist es, die sie in ihren Bann zieht, als sie beschließt dem Drama ihres Lebens ein Ende zu bereiten. Es ist die Ignoranz, die sie umgibt, egal wo sie sich befindet.
In der Schule, zu Hause, unter denen die sich sogar Freunde nennen. Keiner will sie verstehen. Ist sie wirklich so anders, so befremdlich, unnahbar? Ob sie je eine Antwort auf diese Frage bekommt? Wahrscheinlich nicht, denn sie hat ja vor auf diese Antwort nicht mehr zu warten.

Ist es Selbstverleugnung oder die Verleugnung durch die anderen, die immer so tun als wäre sie nicht da? Die sie aber auf der anderen Seite quälen, mobben, stalken, belächeln, hinter ihr her tuscheln, wo es nur irgend geht. Was ist eigentlich mit ihr, wieso geschieht das alles? Fragen über Fragen und keine Antworten. Schon lange hat sie es aufgegeben mit jemand darüber zu reden. Von allen wird sie nur beschwichtigt, es wäre doch nicht so schlimm und sie solle sich mal nicht so haben. Richtig zuhören tut ihr sowieso keiner. Noch bevor sie sagen kann, was sie bedrückt, wissen die anderen schon eine Antwort. Doch diese Antworten sind wie Peitschenhiebe und treiben sie immer mehr in ihre Verzweiflung.

Heute oder nie, sagt sie sich, wird sie es schaffen. Sie hasst sich gerade so sehr, dass sie kaum klar denken kann als sie einen kurzen Abschiedsbrief schreibt. In ihm steht nur „ich kann nicht mehr – ich will nicht mehr!“ Dann zieht sie sich an um zu ihrem Lieblingsplatz am See zu gehen. Bald läuft sie durch den Wald und atmet den harzig schmeckenden Duft ein. Kalt ist ihr, trotz der dicken Jacke. Sie rennt, doch davon wird es nicht warm, in ihr ist es kälter als draußen. Von ihrem See will sie Abschied nehmen. Hell scheint der Mond auf das Wasser in dem sich ihr Abbild spiegelt.

In der Ferne hört sie ein Käuzchen rufen, das lässt sie frösteln. Dann zieht sie ihre Jacke aus, streift den linken Ärmel hinter und nimmt die scharfe Klinge fest in ihre rechte Hand. Im Mondlicht glänzend ist es als würde von der Klinge ein Lichtstrahl auf sie zu kommen. Doch für Licht hat sie jetzt keinen Sinn mehr. Ein letztes Mal wird sie sich schneiden, doch diesmal tief. Rot läuft der Lebenssaft aus einem Leben, welches nicht mehr leben will. Sanft, fast als wenn sie schwebt, gleitet sie auf das weiche Gras. Bevor ihre Sinne sie verlassen ist es, als wird sie auf einen Flügel gehoben. So leicht ist ihr.

©Folkmar Drechsel – 22.02.2011


Nimm dein Leben wie es geht und versuche Schritt zu halten.

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#2

RE: Tote Seele

in Literatur 24.02.2011 19:08
von Thomas

Diskussionsleiter

| 301 Beiträge


Schöne Geschichte.
Sie entspricht genau meinem Geschmack.
Ich selber bevorzuge es de Vorgeschichte zu vertiefen und weniger intensiv auf die Aktion einzugehen.

So vielleicht ein kleiner Kritikpunkt der mich etwas bedrückt dennoch keineswegs falsch ist:
Die meisten Menschen die so ihr Leben beenden tun dies nicht draußen zumindest nicht das schneiden.
Soetwas findet häufig im eigenen Zimmer statt.
Wie gesagt du kannst diese Kritik vernachlässigen , da der See deiner Geschichte einen schönen Effekt gibt , aber vielleicht fühlst du dich dadurch ja informiert =).


Admin für alles, jedoch zu faul dazu =)
Übernehme gerne Verbesserungsvorschläge.

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#3

RE: Tote Seele

in Literatur 24.02.2011 19:23
von Einsiedler

Diskussionsleiter

| 231 Beiträge


Danke und die Kritik kann ich vertragen, auch weil ich einen völlig anderen Ansatz habe. Bei der Geschichte, die nach Wortvorgabe entstanden ist:
Flügel
Verleugnung
rot
Abbild
Ferne
hell
harzig
kalt
glänzend
Ewigkeit

ging es mir nicht um einen bestimmten Menschen. Es ist eine Zusammenfassung dessen was mich schon lange bewegt und in den letzten Wochen wieder sehr deutlich geworden ist.
Und ohne kitschig zu werden habe ich sogar einen Lichtblick mit eingebaut, denn der Ausgang der Geschichte ist offen...


Nimm dein Leben wie es geht und versuche Schritt zu halten.

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